Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm erinnert an 20 jüdische Kinder und mindestens 28 Erwachsene, die am 20. April 1945 im Keller eines leerstehenden Schulgebäudes von der SS ermordet wurden. Vor ihrer Ermordung wurden die Kinder zu pseudomedizinischen Versuchen im KZ Neuengamme missbraucht. Jugendlichen und jungen Erwachsenen diese Geschichte zu vermitteln, ohne sie durch immersive Spieleffekte zu überwältigen, ist eine zentrale Herausforderung des Projekts der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen gemeinsam mit Paintbucket Games.
Das Spiel soll in die Perspektive von Schülerinnen und Schülern der Schule Bullenhuser Damm in den späten 1970er-Jahre versetzen. Sie entdecken Spuren, die sie in die NS-Vergangenheit und zu den unvorstellbaren Verbrechen führen. Durch die Interaktion mit anderen Menschen und die Integration verschiedener Zeitebenen entsteht für die Spielerinnen und Spieler ein individuelles Erinnerungsnarrativ aus einer subjektiven, persönlichen Perspektive.
Welchen innovativen Beitrag können digitale Spiele zum erinnerungskulturellen Diskurs leisten?
Wenn Erinnern mehr sein soll als ein statischer, ritualisierter Prozess, dann müssen die Erfahrungen der Vergangenheit in Bezug gesetzt werden zur Gegenwart – und idealerweise Handlungsoptionen und Dilemmata thematisieren. Die MEMO-Jugendstudie 2023 belegt, dass Jugendliche und junge Erwachsene in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit genau nach diesen Bezügen zu ihrem eigenen Erleben in der Gegenwart suchen. Auch dazu, wie Bildungsangebote zur NS-Zeit gestaltet sein sollten, haben sie konkrete Vorstellungen: vor allem visuell und interaktiv. Digitale Spiele können in der Vermittlungsarbeit viele dieser Aspekte verbinden: Wie kein anderes Medium rücken sie die Möglichkeit der Interaktion, der Veränderbarkeit und des Handlungsspielraumes der Benutzerinnen und Benutzer in den Vordergrund. Doch der Einsatz von Spielen im erinnerungskulturellen Kontext ist bisher noch zaghaft und vorsichtig. Ein Spiel scheint vermeintlich im Gegensatz zu einer sensiblen und ernsthaften Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit zu stehen. Im Fokus dieses Projekts steht daher der Anspruch, einen dem Thema angemessenen und sensiblen Ansatz zu wählen, ohne Abstriche bei den Potenzialen des Mediums zu machen.
Die Alfred Landecker Foundation setzt mit ihren Förderungen auf „Tiefenbohrungen” im Bereich digitaler Erinnerungskultur, die nach innovativen Wegen suchen und diese erproben. In diesem Sinne sind die Vernetzung und der Austausch mit ähnlichen Projekten ein fester Teil im Entwicklungsprozess, um einen Beitrag zu diesem in Deutschland noch sehr jungen Feld zu leisten, der auch über das Projektende hinauswirkt.