Claude Lanzmanns Audio-Archiv
Interviews mit Zeitzeugen der Shoah


Der Film „Shoah“ (1985) von Claude Lanzmann gilt als Wendepunkt in der Wahrnehmung des Holocaust. Für seine Recherchen führte er zahlreiche Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Sein umfangreiches Audio-Archiv mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen wird nun vom Jüdischen Museum Berlin mit Unterstützung der Alfred Landecker Foundation digitalisiert.

Footnotes
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Zwölf Jahre lang drehte der französische Journalist und Dokumentarfilmer Claude Lanzmann in 14 Ländern für seinen Dokumentarfilm über die systematische Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Dafür sprach er in den 1970er- und 1980er-Jahren mit zahlreichen Überlebenden, aber auch mit Täterinnen und Tätern. Als der rund neunstündige Film „Shoah“ 1985 erschien, war er die erste Sammlung von Zeitzeugenberichten überhaupt – und veränderte damit die Wahrnehmung des Holocaust nachhaltig.

In den Jahren 2021 und 2022 überließ die Association Claude et Felix Lanzmann (A.C.F.L.), vertreten durch die Witwe des französischen Dokumentarfilmers, Dominique Lanzmann, dem Jüdischen Museum Berlin einen Nachlass von insgesamt 152 Magnettonkassetten. Darauf befinden sich über 220 Stunden bisher unbekannter Tonaufnahmen mit weiteren Personen, die bis auf eine im Film nicht vorkommen. Neben Überlebenden und Täterinnen und Tätern sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, Geistliche, Intellektuelle, Politikerinnen und Politiker, deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer, Historikerinnen und Historiker zu hören. Am 18. Mai 2023 wurde das Archiv zusammen mit dem Film in das UNESCO-Register des Weltdokumentenerbes „Memory of the World“ aufgenommen.


Audio-Archiv erweitert das Wissen über den Holocaust

Nach dem Erhalt des Archivs hat das Jüdische Museum Berlin in Zusammenarbeit mit dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (SSZ) und dem Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin (CeDiS) damit begonnen, die Tonaufnahmen zu digitalisieren. In einer Zeit, in der nur noch wenige Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus erster Hand über die Shoah berichten können, ist dieses Vorhaben von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Es ermöglicht sowohl der Forschung als auch der breiten Öffentlichkeit den Zugang zu neuen Eindrücken, Erfahrungen und Erkenntnissen und erweitert damit das Wissen über den Holocaust. Um dieses wichtige Ziel zu unterstützen, fördert die Alfred Landecker Foundation die Erschließung des Archivs.

Das Projekt läuft von April 2024 bis Dezember 2027 und umfasst mehrere Arbeitsschritte: Zunächst erfolgen die Transkription und Digitalisierung mit KI-gestützten Tools. Nach einer manuellen Überarbeitung werden aus diesen Transkriptionen englische Übersetzungen erstellt. Die Tonaufnahmen werden kontextualisiert und die Informationen in die Objektdatenbank des Museums integriert: Wer spricht? Über welche Ereignisse und Entwicklungen wird berichtet? Welche Orte werden erwähnt? Bei der Erschließung der Tonaufnahmen arbeitet das Projekt mit anderen Holocaust-Archiven zusammen, um eine breite wissenschaftliche Nutzung zu ermöglichen.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Claude Lanzmann im Jahr 2025, zeitgleich mit dem 40. Jahrestag der Veröffentlichung des Films, wird das Jüdische Museum eine Ausstellung eröffnen, in der die Aufnahmen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.

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