Social Sentiment in Times of Crises


Kippt die Stimmung in einer Gesellschaft ins Negative, können sich daraus Gefahren für die Demokratie entwickeln. Um genau dies zu verhindern und frühzeitig Gegenmaßnahmen für künftige Krisen zu entwickeln, widmen sich Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des FZI Forschungszentrums für Informatik der Erforschung dieser Kipppunkte. Gefördert wird der innovative Ansatz von der Alfred Landecker Foundation.

Desinformation und der damit einhergehende Polarisierungseffekt werden zusehends zur Bedrohung – es entsteht eine gesellschaftliche Situation, die von Anspannung und Unsicherheit geprägt ist. Vor allem im Hinblick auf demokratiegefährdende Tendenzen kann ein plötzliches Kippen der Stimmung verheerende Folgen nach sich ziehen. Es kann nicht nur zur Ablehnung einzelner politischer Entscheidungen kommen, sondern des gesamten politischen Systems und seiner demokratischen Institutionen.

Der Versuch, das Reichstagsgebäude in Berlin anzugreifen (2020), oder der Sturm auf das US-Kapitol in Washington (2021) verdeutlichen die Gleichzeitigkeit demokratiegefährdender Polarisierungsmomente in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Beide Situationen zeigen, wie wichtig es ist, ein besseres Bild über diese demokratiegefährdenden Tendenzen zu bekommen.

Hier setzen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das FZI Forschungszentrum für Informatik an. Gefördert durch die Alfred Landecker Foundation befassen sich die Forscherinnen und Forscher damit, die Stimmung einer Gesellschaft zu erfassen und daraus resultierende potenziell negative Kipppunkte vorherzusagen.

Innovatives Forschungsdesign

Mit einem zukunftsweisenden Forschungsansatz werden diese Kippmomente simuliert, um die Meinungsbildung und -polarisierung in verschiedenen Bevölkerungen zu untersuchen und so potenzielle Entwicklungen in realen Gesellschaften darzustellen.

Die innovative Längsschnittstudie des Social Sentiment in Times of Crises ist ein weltweit erstmals genutzter Ansatz. Anhand von Panelumfragen wurde in der ersten Projektphase kontinuierlich das Sentiment der US-amerikanischen und deutschen Bevölkerung ermittelt: Über eine App beantworteten die Teilnehmenden zwischen November 2022 und April 2023 einmal die Woche die gleichen Fragen. Mit den wöchentlich erhobenen Umfragedaten entstand über den Forschungszeitraum hinweg ein repräsentatives Meinungsbild der deutschen sowie der US-amerikanischen Bevölkerung. Dabei lagen die Schwerpunkte der Studie auf folgenden krisenhaften Ereignissen: dem Krieg gegen die Ukraine, der Klima- und Energiekrise sowie den Auswirkungen der anhaltenden Preissteigerungen in vielen Bereichen des Lebens.

Darüber hinaus glichen Forschende auf zweifache Weise die Daten zur gesellschaftlichen Stimmung ab:

1) News-Event-Monitoring: Erfassung relevanter Nachrichtenartikel durch die Media-Monitoring-Plattform Event Registry. Dies betraf Artikel rund um Ereignisse, die medial stark aufgegriffen und zeitlich in sich abgeschlossen waren. Im Rahmen des Forschungsprojekts ergab sich die Relevanz der Events, wenn diese dem deutsch- bzw. englischsprachigen Raum und den untersuchten Themenschwerpunkten zugeordnet werden konnten.

2) Social-Media-Monitoring: Die relevanten Ereignisse aus dem News-Event-Monitoring wurden mit den Daten („Tweets“) der Plattform Twitter anhand definierter Suchanfragen abgeglichen.

Durch den automatisierten Abgleich der Antworten mit aktuellen Geschehnissen lassen sich Rückschlüsse zwischen den Nachrichten und dem sogenannten Social Sentiment ziehen und zugleich überprüfen, wie repräsentativ Social Media-Debatten verlaufen. Ein Dashboard soll perspektivisch einen Zugang zu den Umfragedaten herstellen und Hypothesen über den gesellschaftlichen Zustand und potenzielle Gefahren schnell überprüfbar machen.

In der zweiten Projektphase ab 2024 werden weitere umfassende Daten erhoben – insbesondere im Hinblick auf die Landtags- und Europawahlen 2024 in Deutschland sowie die Präsidentschaftswahlen in den USA.

Wer steht hinter dem Forschungsprojekt?

Das Forschungsprojekt Social Sentiment in Times of Crisis besteht aus einem interdisziplinären Team von Forschenden des FZI Forschungszentrum Informatik und des Karlsruher Institut für Technologie und wird vom FZI Forschungszentrum Informatik geleitet.

Das FZI ist eine unabhängige und gemeinnützige Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer, die 1985 vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg und der Universität Karlsruhe (heute KIT) gegründet wurde. 2011 wurde ein Hauptstadtbüro in Berlin eröffnet, um eine engere Zusammenarbeit mit Politik und Zivilgesellschaft zu gewährleisten und die Sichtbarkeit eigener Forschung und Entwicklungen zu stärken. Dort ist auch das House of Participation als Kompetenzzentrum zu Fragen digitaler Demokratie und Partizipation angesiedelt.

Das KIT ist die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, die in Kooperation mit dem Land Baden-Württemberg betrieben wird. Sie formierte sich in heutiger Form durch den Zusammenschluss der Universität Karlsruhe mit dem Forschungszentrum Karlsruhe im Jahr 2009. Am KIT arbeiten über 9.000 Mitarbeiterinnen und MItarbeiter, mehr als die Hälfte davon in der natur-, ingenieur-, wirtschafts-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung.

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