Als Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, waren die Künstler Emmanuel Bornstein und Vladimir Potapov gerade mit der Planung einer Ausstellung in Krasnojarsk, Sibirien, beschäftigt. Putins Entscheidung zum Angriff änderte ihre Pläne. Sie sagten die Ausstellung ab, die sich ursprünglich mit den Auswirkungen der Covid-Pandemie befassen sollte. Stattdessen änderten sie das Thema ihres künstlerischen Dialogs: Potapov, der in Moskau lebt, und Bornstein, der in Berlin wohnt, begannen, sich über ihre Sorgen, ihre emotionale Beteiligung und ihre ohnmächtige Wut über den Krieg auszutauschen. Ihre Arbeiten waren im Sommer 2022 in der Galerie Crone in Berlin zu sehen.
Emmanuel Bornsteins Kunst ist eine persönliche Auseinandersetzung mit seiner Geschichte. In der Serie Another Heavenly Day - der Titel ist inspiriert von Samuel Becketts Stück "Happy Days" - porträtiert er Persönlichkeiten, die für ihn und sein Leben von Bedeutung sind (im Guten und im Schlechten). Franz Kafka, Samuel Beckett und Wolodymyr Selenskyj, aber auch Vladimir Putin, Klaus Barbie und Adolf Eichmann könnten in einigen der Werke wiedererkannt werden. Das Besondere an dieser Serie ist, dass sie mit den Vorurteilen und Assoziationen der Rezipienten spielt. Bornstein gibt die Personen auf den Porträts nicht preis, vielmehr ist es der Dialog mit dem Betrachter, der eine Lösung bieten könnte, um wen es sich bei der abgebildeten Person handelt, und ob sie "gut" oder "böse" ist. Oder weder noch.
Bornsteins Arbeit dreht sich viel um seine Großmutter Carmen Siedlecki Bornstein, die in Frankreich dem Widerstand angehörte, bevor sie nach Auschwitz deportiert wurde. Sie überlebte, aber das Schweigen über ihre Vergangenheit hatte einen großen Einfluss auf seine Kunst und ihn selbst als Künstler.
"Erinnern Sie sich an die Vergangenheit und erinnern Sie sich an die Gräueltaten der Vergangenheit - in gewisser Weise sind wir alle damit verbunden", sagt der Künstler. Es bleibt die Frage: Kann ein ererbtes Trauma durch Kunst geheilt werden?