Grußwort zur Eröffnung der Dauerausstellung in der Monacensia

Lena Altman


Zur Eröffnung der Daueraustellung „Maria Theresia 23. Biografie einer Münchner Villa“ in der Monacensia in München hielt Co-CEO der Alfred Landecker Foundation, Lena Altman, am 27.10.2024 folgendes Grußwort.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Frau Büttner und liebes Team der Monacensia im Hildebrandhaus, liebe Rachel, lieber Stephan Sattler,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, heute mit Ihnen zusammen und im Namen der Alfred Landecker Foundation die neue Dauerausstellung eröffnen zu dürfen und dabei neben der wichtigen und innovativen Arbeit der Monacensia auch die Pionier- und Kärrnerarbeit von Dir, liebe Rachel, zu würdigen, die Du über Jahrzehnte für München betrieben hast und die hier jetzt ihre bleibende Stätte findet: ein lebendiges, atmendes Denkmal.

Ich bin heute zum allerersten Mal in dieser wunderbaren Künstlervilla, dem literarischen Gedächtnis der Stadt München, wie Sie selbst so schön sagen.

Und ich bin begeistert, wie Sie, liebe Frau Büttner, und Ihr Team es vermocht haben, einen so besonderen Ort zu schaffen, der sowohl Wissensspeicher als auch Begegnungsraum ist und durch seine Vielfalt ein breites Publikum anspricht und zum Nachdenken und Austausch einlädt.

Es ist eine außergewöhnliche Leistung, wie es der Monacensia gelingt, Forschung und Lektüre, einen Produktionsort für kreatives Schaffen, eine Bühne für Kulturschaffende und für digitales Lernen unter einem Dach zu vereinen.

In unserer polarisierten Zeit entsteht ein Raum, der ganz unterschiedliche Menschen anspricht: Künstlerinnen und Wissenschaftler, Literaturbegeisterte und Schulklassen finden hier gleichermaßen einen Platz, um sich kulturell und kreativ miteinander zu entfalten. Es ist, als ob hier das Gespräch der Verschiedenen, das Dir, liebe Rachel, so wichtig ist, trotz aller Widrigkeiten vielleicht doch noch möglich ist?

Und als cherry on top dann noch dieser wundervolle Garten! Ein Ort der Ruhe und Inspiration, der einlädt zum Innehalten. Kurz und gut: Können wir die Monacensia bitte nach Berlin transplantieren?

Aber im Ernst: Dieses Haus ist - dank der Arbeit der Monacensia - ein lebendiges Gedächtnis. Es besitzt, wie es im Titel der Ausstellung heißt, eine Biografie, die es zu ergründen gilt. Wir begegnen im Gebäude den Leben seiner vielen und vielfältigen Bewohnerinnen und Bewohner – auch durch die Zeit von nationalsozialistischem Terror und Verfolgung hindurch. Dieser Ort erinnert auf lebendige und einladende Weise an diejenigen, die dem Regime widerstanden, an die, die verfolgt und ermordet wurden, und an die, die überlebten.

Und so verzahnt sich diese Hausbiografie eng mit der Geschichte, mit der räumlichen Gegenwart und Zukunft sowie mit der Münchener Stadtgesellschaft. Und verweist gleichzeitig auch weit über München hinaus.

Wir als Alfred Landecker Foundation sind stolz, zu den Mitförderern der neuen Dauerausstellung zu gehören, die uns heute erstmals präsentiert wird. Es hat keinerlei Überredungskunst gebraucht, um uns von einer Förderung zu überzeugen. Das hat sicherlich damit zu tun, dass auch unsere Stiftung eine Biografie und ein Gedächtnis hat, das tief in den Verwerfungen der deutschen Geschichte verwurzelt liegt und uns Aufgaben für die Gegenwart und Zukunft stellt.

Unser Namensgeber, Alfred Landecker, war ein assimilierter Jude, erfolgreicher Prokurist, Vater von drei Kindern, geboren in Ostpreußen, später nach Mannheim gezogen. 1942 wurde er von der Gestapo verschleppt und später in Sobibor oder Belzec – wir werden es nie erfahren - ermordet.

Seine Tochter Emilie Landecker war mit dem Unternehmer, überzeugten Antisemiten und Nationalsozialisten Albert Reimann Junior liiert. Die Familie Reimann hat die Unternehmensgeschichte wissenschaftlich aufarbeiten lassen, wir als Stiftung veröffentlichen Alfred Landeckers Biografie noch in diesem Jahr.

Unser Auftrag ist damit natürlich nicht abgeschlossen, ganz im Gegenteil: Wir werden weiterhin mit vielen Partnerinstitutionen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft an die Shoah erinnern, Judenhass bekämpfen und demokratische Institutionen stärken. Wir werden auch weiterhin dazu beitragen, jüdisches Leben, jüdisches Schaffen sichtbar zu machen, insbesondere in Zeiten, in denen in zu vielen Milieus wieder sagbar geworden ist, was die Überlebenden von einst stets begleitete: die Bedrohung und Aberkennung der Existenz.

Und vor dem Hintergrund dieser Gründungsgeschichte der Stiftung ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass der besondere Fokus unserer Förderung in diesem Haus auf der Erschließung, Sicherung und Digitalisierung des Archivs von Rachel Salamander liegt, das künftig auch Gegenstand einer Wanderausstellung und von digitalen Begleitangeboten sein wird.

Liebe Rachel, Du hast Dich mit der Literaturhandlung der Bewahrung jüdischer Kultur, insbesondere der Literatur nach 1945, verschrieben. Für die zweite Generation jüdischer Menschen nach der Shoah war es entscheidend, jüdisches Wissen zu sammeln und so den Neubeginn jüdischer Kultur in Deutschland überhaupt zu ermöglichen. Über vier Jahrzehnte hast Du ein einzigartiges Archiv, ein eigenes vielstimmiges Gedächtnis aufgebaut, das zentrale Dokumente zur jüdischen Literatur, Kultur und Wissenschaft sowie zum jüdischen Leben im Nachkriegsdeutschland umfasst.

Die in der Sammlung Salamander enthaltenen Originaldokumente - Schriftwechsel mit Gästen der Literaturhandlung, Texte, Bilder und Tonaufnahmen von Amos Oz, Marcel Reich-Ranicki, Imre Kertész, von geistigen Ikonen der Juden in deutscher Sprache wie Hannah Arendt und Saul Friedländer – sie alle sind von unschätzbarem Wert. Sie sind ein Bild des jüdisch-deutschen Geisteslebens nach 1945 und zeigen, welche Debatten die Literatur rund um das Judentum begleiteten. Sie sind sowohl für die Shoah- als auch die Biografieforschung von großer Bedeutung. Und sie passt wunderbar zum Gedächtnis und der Biografie dieses Hauses.

Für uns ist ganz klar: Die Bewahrung und Zugänglichmachung des Archivs von Rachel Salamander ist heute wichtiger denn je. Seit dem 7. Oktober ist nichts mehr so, wie es mal war. Die Ereignisse des 07.10. stellen eine schreckliche Zäsur dar. Für Juden in Deutschland bedeuten sie eine wieder zunehmend bedrohliche Lebenssituation: Häuser werden mit dem Davidstern markiert, Boykottaufrufe werden laut und gewalttätige Übergriffe auf jüdische Menschen ereignen sich mitten in unseren Städten. Jüdische und israelische Kulturschaffende werden gecancelt, sie verstummen. Politische Parteien, die den erinnerungskulturellen Konsens immer offener infrage stellen, finden in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen Zulauf. Wie es um den Zufluchtsort Israel für Juden in aller Welt steht? Prognose ungewiss. Angesichts unserer deutschen Geschichte ist diese Realität kaum zu ertragen. Aber es hilft ja nicht, sie auszublenden.

Um dem Pessimismus Herr zu werden stelle ich mir vor, was diese neue Dauerausstellung in der Monacensia, die Erschließung des Archivs von Rachel Salamander, in fünf, zehn, zwanzig Jahren, für Generationen nach uns bewirkt haben wird. Was wird dieses Haus dann erzählen?

Vielleicht wird es ein Ort sein, an dem Jugendliche die Schriften von Hannah Arendt und die Worte von Saul Friedländer lesen und die Stimmen jener hören, die nach dem Unvorstellbaren den Mut hatten, das jüdische Leben in Deutschland neu zu beleben. Ein Ort, an dem sie nicht nur lernen, was geschehen ist, sondern auch verstehen, warum es nie wieder geschehen darf. Sich selbst aufgefordert fühlen, entsprechend zu Handeln. Das wünsche ich mir sehr.

Ich gratuliere allen Beteiligten sehr herzlich zur heute präsentierten Ausstellung und ihrem Begleitprogramm, wünsche diesem ambitionierten Vorhaben viel Erfolg, ganz besonders Ihnen, Herr Geiger, bei der weiteren Erschließung des Salamander-Archivs, wahrlich ein Großprojekt, dass Sie über lange Zeit beschäftigen wird!

Und ich freue mich auf einen anregenden Tag mit Ihnen!

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