In den vergangenen Jahren konnten wir beobachten, wie sich das Diskursklima allgemein aber insbesondere auch in den sozialen Medien verschärft. Die Plattformen haben ihre Content-Moderation zurückgefahren, greifen also seltener ein und löschen Kommentare, die Hass oder Hetze verbreiten nicht.
Die Anfeindungen gegen diese Frauen sind geprägt von Gewalt: Sie umfassen sexualisierte digitale Grenzüberschreitungen, wie gezielte Desinformationskampagnen, Verleumdungen, Androhungen von Vergewaltigung und (Mord-)Drohungen. Die spärliche Studienlage zum Phänomen belegt: Es scheint eine weithin akzeptierte "Normalität" zu sein, dass Frauen in der Öffentlichkeit dieser Art von Gewalt und Diffamierung ausgesetzt sind.
Dies führt dazu, dass viele Frauen erst gar nicht politisch aktiv werden möchten - aus Selbstschutz und um ihre Familien vor dieser Tortur zu bewahren. Diejenigen, die bereits öffentliche Rollen bekleiden, erwägen, sich aus den digitalen Räumen zurückzuziehen. Weil Social-Media-Plattformen aber inzwischen zu den zentralen Foren gehören, auf denen öffentliche Diskussionen stattfinden und Meinungen gebildet werden, würde das Fernbleiben von Frauen eine wesentliche Verengung der demokratischen Debatte sowie ein Teilnahmehindernis für die Frauen selbst bedeuten.
Digitale Gewalt gegen Frauen, vor allem in der Politik, ist dabei kein individuelles Problem. Es ist unsere Demokratie, die auf dem Spiel steht, wenn die Teilhabe und damit die Ausübung der Bürgerrechte von Frauen und anderen gesellschaftlichen Gruppen systematisch beeinträchtigt oder unmöglich gemacht werden.
Das Zeitfenster zu handeln, ist jetzt. Uns stehen entscheidende Wahlen bevor: Europawahlen, Landtagswahlen und 2025 schließlich Bundestagswahlen. Zudem laufen derzeit wichtige Gesetzgebungsverfahren im Sinne eines stärkeren Gewaltschutzes insgesamt und damit auch für (politisch aktive) Frauen, wie etwa der Digital Services Act, die Online Safety Bill, die Directive on Combating Violence Against Women and Domestic Violence.
Mit dem gemeinsamen Projekt “Close the Gap: Securing Women’s Voices in Politics” wird unser Partner HateAid zusammen mit der Universität Oxford und der TU München dieses Momentum nutzen und den umfangreichen Herausforderungen digitaler Gewalt gegen politisch aktive Frauen mit einem innovativen, multidimensionalen Ansatz entgegenwirken:
1. Wissenslücken im Bereich der digitalen Gewalt gegen Frauen sollen durch Wissenschaft und Forschung in Deutschland und einem weiteren europäischen Land geschlossen werden. Dieses Modul wird in Kooperationen mit der Technischen Universität München und der Blavatnik School of Government / University of Oxford verwirklicht.
2. Es soll auf Politik und Plattformregulierung eingewirkt werden, um gruppenbezogenen Hass zu bekämpfen und die grundlegenden Rechte von Frauen auf den Plattformen durchzusetzen.
3. Die von Online-Plattformen ausgehenden Risiken sollen bewertet werden und die Plattformen sollen gegenüber Behörden und Gerichten zur Verantwortung gezogen werden.
4. Konkrete, zielgruppengerechte Stärkung und Unterstützung von Frauen in der Politik u.a. durch gezielte Workshop- und Beratungsangebote.
5. Sensibilisierung in Parteien, Verbänden, Nachwuchsorganisationen und der breiteren Öffentlichkeit, insbesondere auch Ansprache von Männern als potenzielle Unterstützer, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
Ziel des Projekts ist es, dass nicht nur Frauen von den regulatorischen und legislativen Maßnahmen profitieren, sondern nachfolgend auch alle diskriminierten und marginalisierten Gruppen, die von gruppenbezogenem Hass, z.B. Rassismus, Antisemitismus oder geschlechtsspezifischer Gewalt, betroffen sind. Denn: Demokratieschutz ist nicht nur ein Anliegen von und für Frauen. Das Projekt "Close the Gap: Securing women’s voices in politics" wirkt der Destabilisierung der Demokratie entgegen und stärkt die gefährdeten Grundrechte aller.