Avner Ofrath


Der Historiker Avner Ofrath befasst sich mit Staatsbürgerschaft, Sprache und der öffentlichen Sphäre im Mittelmeerraum des 19. und 20. Jahrhunderts.

Avner Ofrath studierte Geschichte an der FU Berlin und wurde 2018 an der Universität Oxford promoviert. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen und Visiting Assistant Professor an der University of Michigan, bevor er 2023 im Rahmen der vierten Kohorte des Alfred Landecker Lecturer Program an die FU Berlin zurückkehrte.

Neben seiner akademischen Arbeit hat Avner Essays, Übersetzungen und Kommentare zur jüdischen, mediterranen und nahöstlichen Geschichte und Kultur auf Englisch, Deutsch und Hebräisch veröffentlicht. Er verfasste eine Reihe von Artikeln für das israelische Online-Magazin Alaxon und war Mitübersetzer eines Geschichtslehrbuchs zum Israel-Palästina-Konflikt, das von israelischen und palästinensischen Lehrern in parallelen Narrativen verfasst wurde.
Sein erstes Buch, "Colonial Algeria and the Politics of Citizenship", wirft ein neues Licht auf Fragen von Staatsbürgerschaft und rechtlichem Status in Frankreichs wichtigstem Kolonialgebiet. Anhand einer Vielzahl von Quellen in französischer, arabischer und judäo-arabischer Sprache zeigt er, wie die Kolonialherrschaft in Algerien einerseits den französischen Begriff der Staatsbürgerschaft prägte, andererseits einige der wichtigsten Forderungen und Impulse hervorbrachte, kulturelle und religiöse Differenz innerhalb der Republik aufrechtzuerhalten.


Projektbeschreibung

Between Coexistence and Conflict: Jews and Muslims amid European Might, c. 1860-1980

Avners neues Projekt untersucht den Wandel jüdisch-muslimischer Beziehungen in der sich rasch verändernden öffentlichen Sphäre des spätosmanischen und kolonialen Zeitalters. Im Mittelpunkt dieses Projekts steht das, was er das Aufkommen judäo-arabischer politischer Literatur nennt, eine Entwicklung, die den Charakter, die Konturen und die Leserschaft jüdischen politischen Denkens und seine Position in der arabischen Welt grundlegend veränderte. Durch die Erforschung vernakularer Textproduktion in und zwischen Algerien, Irak und Palästina möchte er Formen und Rahmenbedingungen jüdisch-muslimischer Beziehungen neu denken und Vorstellungen und Visionen gemeinsamer Vergangenheit und Zukunft rekonstruieren, die im Zeitalter der kolonialen Herrschaft, des Antikolonialismus und des Nationalismus geprägt wurden.

Diese verflochtene Geschichte judäo-arabischer politischer Literatur bietet ein innovatives Prisma, um den Wandel jüdisch-muslimischer Beziehungen historisch zu untersuchen. Verortet zwischen arabischer und hebräischer Sprache und Textproduktion, ermöglicht es das Judäo-Arabische – die Bezeichnung für arabische Dialekte, die von Juden gesprochen und in hebräischer Schrift geschrieben werden – das Auseinanderwachsen von Juden und Muslimen in all seiner Komplexität zu ergründen. Denn als gesprochener arabischer Dialekt hatte das Judäo-Arabische Juden und Muslime jahrhundertelang miteinander verbunden. Mit dem Übergang zu einer politischen Schriftsprache trennten die hebräische Schrift und die intertextuellen Bezüge des Judäo-Arabischen die jüdische Öffentlichkeit jedoch zunehmend von ihrer Umwelt. Diese Verschiebung spielte eine wichtige Rolle bei der Fragmentierung der gemeinsamen öffentlichen Sphäre. Allerdings ist diese reiche Textproduktion judäo-arabischer Presseartikeln, Kommentare, Moralgeschichten, Übersetzungen und Exegesen bisher kaum erforscht, geschweige denn in unser historisches Verständnis jüdisch-muslimischer Beziehungen integriert worden.

Judäo-Arabische politische Literatur war ein radikaler, ambitionierter und bisher weithin übersehener Versuch, den „Monolingualismus des Anderen", um Jacques Derrida zu zitieren, in Frage zu stellen – ein Versuch, einen überregionalen jüdischen Diskursraum über die politischen Themen der Zeit zu schaffen. Das Aufkommen dieser Literatur zu erforschen, ermöglicht es uns, uns der arabisch-jüdischen Kultur durch ihre eigene Sprache zu nähern und die ethnischen Kategorien des kolonialen Zeitalters zu überwinden, ohne ihre bleibende Präsenz in der Gegenwart zu übersehen.

Unsere Themen

An den Holocaust erinnern

Antisemitismus bekämpfen

Demokratie stärken

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