Die russische Invasion in der Ukraine, die am 24. Februar 2022 begann, hat sich zu einer grausamen Serie von Gräueltaten an Zivilisten und Nichtkombattanten entwickelt. All dies verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht und könnte nach eingehender Prüfung als Kriegsverbrechen eingestuft werden.
Wenn diese Ereignisse nicht zu bloßen Anekdoten der Geschichte werden sollen, müssen sie ordnungsgemäß dokumentiert und für die spätere Verwendung archiviert werden. An dieser Stelle kommt unsere Partnerorganisation HURIDOCS (Human Rights Information and Documentation Systems) ins Spiel. HURIDOCS unterstützt seit langem zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsaktivisten, die Strategien und Instrumente zur Dokumentation von Menschenrechten einsetzen, um die Rechenschaftspflicht zu stärken und sich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen.
Was genau macht HURIDOCS?
Um zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit wirksamer unterstützen zu können, bedarf es digitaler Werkzeuge zum
- Sammeln
- Verarbeiten
- Bewahren
- Verwalten
- Schützen und
- Analysieren der rasch wachsenden Menge potenzieller Beweismittel, zu denen auch immer häufiger speicherintensive Videos gehören
Die fachgerechte Dokumentation und Archivierung von Beweisen ist das primäre Ziel der Arbeit, aus der sich jedoch auch abschreckende Wirkung auf künftige Verbrechen ergeben kann. Denn wenn Kriegsverbrecher Verurteilungen fürchten müssen, unterlassen sie womöglich die schlimmsten Verstöße gegen Menschenrechte.
Die Alfred Landecker Foundation unterstützt HURIDOCS dabei, zivilgesellschaftliche Gruppen weiterzubilden, die bereits mit der Dokumentation von Beweismitteln befasst sind. Dazu gehören Schulungen und Beratungen, wie man Informationen gerichtsfest sammelt, wie man diese sensiblen Daten sicher speichert und wie man Infrastruktur aufbaut, um große Datenmengen fachgerecht zu schützen.
"Auch wenn sich die Umstände im Laufe der Jahre geändert haben, ist der Zugang zu Informationen nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den Schutz der Würde und der Freiheit aller Menschen", sagt Oleksandra Matviychuk, Leiterin des “Center for Civil Liberties“ und Vorstandsmitglied von HURIDOCS.
Strafverfolgung
Vier Tage nach der russischen Invasion eröffnete der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. In Verbindung mit den Ermittlungen hat der IStGH ein Kontaktportal eingerichtet, und jeder, der über relevante Informationen verfügt, wird dringend gebeten, sich zu melden und dem IStGH die Einzelheiten mitzuteilen.
Auch die Bundesanwaltschaft in Deutschland hat eine eigene Untersuchung eingeleitet und damit begonnen, Beweise für mutmaßliche Verbrechen an der Zivilbevölkerung und kritischer Infrastruktur zu sammeln. Die deutschen Ermittlungen stützen sich auf den Grundsatz der universellen Zuständigkeit, der es Ländern erlaubt, Verbrechen gegen das Völkerrecht auch außerhalb ihrer Grenzen zu verfolgen.
"Im Zusammenhang mit der Ukraine zeigt sich deutlich, dass die systematische Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, unabhängig davon, wer sie begeht, entscheidend ist für die Schaffung von Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit", sagt Dr. Andreas Eberhardt, Geschäftsführer der Alfred Landecker Stiftung.
Die Rolle der Zivilgesellschaft
Wenn die staatliche Infrastruktur in Folge eines Krieges zusammenbricht, spielt die Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen, Verstöße zu dokumentieren und zu überwachen. Ohne diese Organisationen gäbe es meist niemanden vor Ort, der Fälle recherchiert und sie für die Strafverfolgung aufbereitet. Zivilgesellschaftliche Akteure sind in der Regel die ersten, die auf Konflikte und Kriege vor Ort reagieren, sie haben die größte Reichweite und können die Menschen, die diese Erfahrungen machen mussten, am ehesten zu einer Aussage bewegen.
All diese Bemühungen beruhen auf der Einsicht, dass die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen in dem Moment, in dem sie geschehen, für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit unabdingbar ist.